Überblick: Depression und verwandte Erkrankungen
Depression ist eine der häufigsten psychischen Erkrankungen weltweit. In Deutschland leiden laut einer AOK-Studie aus dem Jahr 2024 rund 9,5 Millionen Menschen an einer Depression.
Dabei handelt es sich nicht nur um vorübergehende Traurigkeit, sondern um eine ernste Störung, die das tägliche Leben erheblich beeinträchtigen kann.
Formen der Depression
- Major Depression (MDD): Anhaltende Niedergeschlagenheit, Interessenverlust, Schlafprobleme und Konzentrationsstörungen.
- Dysthymie: Eine mildere, aber langanhaltende Form der Depression.
- PTBS-assoziierte Depression: Depressionen, die nach traumatischen Erlebnissen auftreten (z. B. Unfälle, Gewalt oder Kriegserfahrungen).
Viele Betroffene erhalten eine Behandlung mit Antidepressiva oder auch Psychotherapie. Doch nicht alle Patienten sprechen auf diese Therapien an. Deshalb wird zunehmend nach alternativen Behandlungsoptionen gesucht – darunter auch medizinisches Cannabis.

Wie Cannabis Depressionen beeinflussen kann
Cannabis wirkt über das Endocannabinoid-System (ECS), das an der Regulation von Stimmung, Stress und Emotionen beteiligt ist. Besonders die Cannabinoide THC (Tetrahydrocannabinol) und CBD (Cannabidiol) beeinflussen Neurotransmitter wie Serotonin und Dopamin, die eine Schlüsselrolle bei Depressionen spielen.
Mögliche positive Effekte von Cannabis auf Depressionen
- Erhöhte Serotonin-Freisetzung: Ähnlich wie Antidepressiva könnte Cannabis helfen, den Serotoninspiegel zu stabilisieren.
- Schnelle Wirkung: Während klassische Antidepressiva oft Wochen benötigen, könnten THC und CBD schneller Effekte zeigen.
- Angstlösende Eigenschaften: Besonders CBD wird mit einer beruhigenden Wirkung in Verbindung gebracht.
Allerdings gibt es auch Risiken
Hohe THC-Dosen können Angst verstärken oder zu einer Abhängigkeit führen. Daher ist die richtige Dosierung entscheidend. Wissenschaftliche Studien liefern teils widersprüchliche Ergebnisse, sodass Cannabis aktuell eher als Ergänzung und nicht als Haupttherapie für Depressionen gilt.
Die Rolle von THC in der Depressionsbehandlung
THC (Tetrahydrocannabinol) ist der Hauptwirkstoff von Cannabis und für seine psychoaktive Wirkung bekannt. In niedrigen Dosen kann THC Euphorie, Entspannung und eine Stimmungsaufhellung bewirken – Effekte, die für Menschen mit Depressionen potenziell hilfreich sein könnten.
Potenzielle Vorteile von THC bei Depressionen
- Kurzfristige Stimmungsaufhellung durch Dopamin-Freisetzung
- Förderung der Entspannung und des Schlafs, besonders bei stressbedingter Depression
- Appetitanregung, was bei depressionbedingtem Gewichtsverlust nützlich sein kann
Mögliche Risiken von THC
- Angst und Paranoia, insbesondere bei höheren Dosen
- Abhängigkeitspotenzial, besonders bei langfristigem Konsum
- Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme, die depressive Symptome verstärken können
Ein weiteres Problem: Die Wirkung von THC ist individuell unterschiedlich. Während einige Patienten von einer Verbesserung der Symptome berichten, kann es bei anderen zu einer Verschlechterung kommen.
Daher wird in der Depressionsbehandlung oft eine vorsichtige Dosierung empfohlen, teilweise in Kombination mit CBD, um die Nebenwirkungen zu minimieren.
Rezept für medizinisches Cannabis bei Depressionen
In Deutschland ist medizinisches Cannabis seit 2017/2024 unter bestimmten Voraussetzungen legal erhältlich. Patienten mit therapieresistenter Depression können es verschrieben bekommen, wenn andere Behandlungen nicht ausreichend wirken.
Voraussetzungen für eine Verschreibung
- Eine diagnostizierte Depression, die auf klassische Therapien nicht anspricht
- Ein Arzt muss die Notwendigkeit der Behandlung bestätigen
- Ein Antrag bei der Krankenkasse kann erforderlich sein, wenn eine Kostenübernahme gewünscht wird
Ablauf der Verschreibung
- Arztkonsultation: Der behandelnde Arzt prüft, ob Cannabis eine geeignete Option ist.
- Rezeptausstellung: Falls geeignet, stellt der Arzt ein Betäubungsmittelrezept (BtM-Rezept) aus.
- Apothekeneinlösung: Das Medikament kann in einer zugelassenen Apotheke erworben werden.
Da medizinisches Cannabis bisher nicht die Standardtherapie für Depressionen ist, entscheiden Ärzte individuell über eine Verschreibung. In vielen Fällen wird eine Begleittherapie mit Psychotherapie oder klassischen Antidepressiva empfohlen.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte schreibt hierzu in einer Information an Ärzte und Ärztinnen:
“Beabsichtigen Sie die zugelassenen Fertigarzneimittel Sativex® oder Canemes® außerhalb der zugelassenen Indikationen bzw. Cannabisblüten, nicht als Fertigarzneimittel zugelassene Cannabisextrakte oder Dronabinol zu Lasten der GKV zu verschreiben, so ist durch die Patientin bzw. den Patienten vor der ersten Verschreibung ein Antrag auf Genehmigung der Kostenübernahme bei der zuständigen Krankenkasse zu stellen.”
Cannabis in der Traumatherapie (PTBS & Depression)
Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) kann zu schweren Depressionen führen. Betroffene leiden unter Flashbacks, Schlafstörungen und Angstzuständen. In den vergangenen Jahren wurde medizinisches Cannabis als mögliche Unterstützung in der Traumatherapie erforscht.
Wie kann Cannabis bei PTBS-bedingter Depression helfen?
- Angstlinderung: Besonders CBD kann Stressreaktionen abschwächen.
- Schlafverbesserung: THC kann helfen, Albträume und Schlafprobleme zu reduzieren.
- Emotionale Verarbeitung: Cannabinoide könnten dabei helfen, traumatische Erinnerungen abzuschwächen.
Studien & Erfahrungen
Erste Forschungsergebnisse zeigen, dass Patienten mit PTBS unter kontrollierter Cannabis-Therapie seltener unter Flashbacks leiden. In den USA wird Cannabis bereits für PTBS-Patienten eingesetzt, in Deutschland ist die Anwendung noch umstritten.
Obwohl einige Patienten positive Erfahrungen machen, gibt es noch keine eindeutigen Langzeitstudien. Daher sollte Cannabis nur in Absprache mit einem erfahrenen Arzt als ergänzende Therapie genutzt werden.
Formen von medizinischem Cannabis bei Depressionen
Medizinisches Cannabis ist in verschiedenen Formen erhältlich, die sich in Wirkung, Anwendung und Dosierung unterscheiden. Die Wahl des richtigen Produkts hängt von den individuellen Symptomen und der Reaktion auf die Wirkstoffe ab.
Beliebte Cannabis-Formen bei Depressionen

CBD-Öl
Häufig für milde Depressionen genutzt, nicht psychoaktiv, angstlösend

THC-reiche Blüten
Können die Stimmung heben, aber auch Nebenwirkungen verursachen

Cannabis-Kapseln
Genaue Dosierung möglich, langsame, gleichmäßige Wirkung

Vaporisierte Cannabisextrakte
Schnelle Wirkung, oft bei akuter Anspannung genutzt
CBD-Produkte sind oft die erste Wahl, da sie kaum Nebenwirkungen haben. THC-haltige Präparate werden nur unter ärztlicher Kontrolle eingesetzt. Eine Kombination aus THC und CBD ist in vielen Fällen die optimale Lösung.
Erfahrungsberichte & wissenschaftliche Studien
Einige Betroffene berichten, dass medizinisches Cannabis ihnen hilft, depressive Symptome zu lindern. Besonders in Kombination mit anderen Therapien empfinden sie eine Verbesserung der Stimmung und eine Reduzierung von Stress und Schlafproblemen. Andere hingegen erleben keine Wirkung oder sogar eine Verschlechterung der Symptome, insbesondere bei hohen THC-Dosen.
Positive Erfahrungen
✔ „Ich fühle mich weniger antriebslos, seit ich CBD nutze."
✔ „THC hilft mir, meine Grübelgedanken zu stoppen und besser zu schlafen."
Negative Erfahrungen
✘ „Nach längerem Gebrauch habe ich mich emotional abgestumpft gefühlt."
✘ „Hohe THC-Dosen haben meine Ängste verstärkt."
Was sagen Studien?
Aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen liefern ein sehr gemischtes Bild über die Wirksamkeit von Cannabis bei der Behandlung von Depressionen und verwandten Störungen. Wissenschaftler sind sich einig darüber, dass erst weitere Langzeitstudien ein präziseres Bild geben können.
Nutzen vs. Risiken: Eine ausgewogene Betrachtung
Die Wirkung von Cannabis auf Depressionen ist umstritten. Während einige Patienten von einer Stimmungsaufhellung berichten, weisen Experten auf potenzielle Risiken hin.
Mögliche Vorteile
✔ Schnelle Wirkung: THC kann kurzfristig die Stimmung verbessern.
✔ Angstlindernd: Besonders CBD wirkt beruhigend und entspannend.
✔ Schlaf unterstützend: Kann Schlafstörungen reduzieren, die oft mit Depressionen einhergehen.
Mögliche Risiken
✘ Angstverstärkung: Hohe THC-Dosen können Panikattacken auslösen.
✘ Abhängigkeitspotenzial: Längerer Gebrauch kann zu psychischer Abhängigkeit führen.
✘ Kognitive Einschränkungen: Gedächtnis und Konzentration können beeinträchtigt werden.
Cannabis kann demnach für manche Patienten eine ergänzende Therapieoption sein, ist aber kein Ersatz für etablierte Behandlungen.
Rechtliche & therapeutische Einordnung in Deutschland: Auswirkungen des Cannabisgesetzes von 2024
Mit der Legalisierung von Cannabis zum Eigenkonsum am 1. April 2024 hat sich die gesellschaftliche Wahrnehmung verändert. Dennoch bleibt die medizinische Nutzung, etwa zur Behandlung von Depressionen, weiterhin streng reguliert.
Einfluss auf die medizinische Nutzung
- Ärzte können Cannabis nur unter klaren Voraussetzungen verschreiben.
- Patienten sprechen offener über Cannabis als Therapieoption.
- Die Forschung könnte durch den erleichterten Zugang intensiviert werden.
Gesellschaftliche Auswirkungen
- Weniger Stigmatisierung von Patienten, die Cannabis nutzen.
- Mehr Diskussion über Nutzen und Risiken in der Depressionsbehandlung.
Obwohl sich die Gesetzeslage geändert hat, bleibt medizinisches Cannabis eine kontrollierte Therapieoption, die mit einem Arzt besprochen werden muss.
Gespräch mit dem Arzt: Cannabis gegen Depressionen
Falls Sie erwägen, medizinisches Cannabis gegen Depressionen zu nutzen, sollten Sie dies mit Ihrem Arzt in aller Ruhe besprechen.
Wichtige Fragen für das Arztgespräch
- „Kann Cannabis bei meiner Form der Depression helfen?“ – Klären, ob es für Ihre Symptome geeignet ist.
- „Welche Vorteile und Risiken gibt es für mich?“ – Verstehen, wie THC und CBD wirken können.
- „Welche Form von Cannabis wäre sinnvoll?“ – Besprechen, ob Öle, Kapseln oder Blüten besser geeignet sind.
- „Wie läuft der Verschreibungsprozess ab?“ – Informieren über Rezepte und eventuelle Kassenübernahme.
- „Wie wird die Wirkung kontrolliert?“ – Klären, wie Erfolg und Nebenwirkungen überwacht werden.
Tipp: Notieren Sie sich während des Gesprächs die wichtigsten Punkte. Eine gut vorbereitete Konsultation hilft Ihnen, eine fundierte Entscheidung zu treffen.
Fazit
Medizinisches Cannabis kann durchaus bei Depressionen helfen, ist aber kein Wundermittel. Während einige Patienten profitieren, bestehen Risiken wie Abhängigkeit oder Angstverstärkung. In Deutschland ist eine ärztliche Verschreibung nur in Ausnahmefällen möglich. Eine fundierte Beratung mit einem Facharzt ist daher unerlässlich.
- Burggren AC, Shirazi A, Ginder N, London ED (2020): Cannabis effects on brain structure, function, and cognition: considerations for medical uses of cannabis and its derivatives, https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC7027431/, abgerufen 07.03.2025
- AOK Studie (2024): Gesundheitsatlas Deutschland: Knapp 9,5 Millionen Menschen von Depressionen betroffen, https://www.aok.de/pp/bv/pm/gesundheitsatlas-deutschland-depression/, abgerufen 07.03.2025
- Süddeutsche Zeitung: Endocannabinoidsystem, https://www.sueddeutsche.de/cbd/endocannabinoidsystem, abgerufen 07.03.2025
- Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte – BfArM (2024): Medizinisches Canabis – Hinweise für Ärztinnen und Ärzte, https://www.bfarm.de/DE/Bundesopiumstelle/Medizinisches-Cannabis/Hinweise-fuer-Aerzte/_node.html, abgerufen 07.03.2025
- Bedard-Gilligan M, et al (2022): Effects of Cannabis on PTSD Recovery: Review of the Literature and Clinical Insights, https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC9648847/, abgerufen 07.03.2025
- BMJ (2023): Balancing risks and benefits of cannabis use: umbrella review of meta-analyses of randomised controlled trials and observational studies, https://www.bmj.com/content/382/bmj-2022-072348, abgerufen 07.03.2025
- Bundesministerium für Gesundheit (2024): Cannabisgesetz (CanG), https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/gesetze-und-verordnungen/detail/cannabisgesetz.html, abgerufen 07.03.2025
- Springer Nature (2022): Prevalence and self-reported reasons of cannabis use for medical purposes in USA and Canada, https://link.springer.com/article/10.1007/s00213-021-06047-8, abgerufen 07.03.2025